Aufbruch für die Kunst in Schramberg
Der Künstler und Lehrer Werner Siepmann wird 80 Jahre alt

Mit dem Namen Werner Siepmann ist in der Geschichte der Kulturpolitik in Schramberg die Erinnerung an einen großen Aufbruch in eine neue Zeit verbunden: Der Künstler und Lehrer gab der Kunst in der jungen Großen Kreisstadt mit der Gründung eines Kunstvereins, einer Kunstsammlung im „Kulturzentrum Schloss“ und einem anspruchsvollen Kunstunterricht am Gymnasium ein zeitgemäßes Profil von überörtlicher Strahlkraft. Heute wird der seit einem Jahrzehnt in kritischer Zurückgezogenheit lebende Künstler und Lehrer in Schramberg 80 Jahre alt.
Schramberg. Einen ähnlichen kulturellen Aufbruch wie vor 50 Jahren wünscht man sich in Schramberg heute wieder. Möglich wurde er damals in einem großen Generationenwechsel, einem allgemein starken Bewusstsein für die Bedeutung von Kultur für eine Stadt, durch kluge Köpfe mit konzeptionellem Denken und leidenschaftlichem Engagement in Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und Bürgerschaft und die Gründung von neuen Institutionen und Organisationen.
In diesem Klima wurde Werner Siepmann ein großer kultureller Impulsgeber in Schramberg, der auch über einige schwierige Konflikte hinweg ein nachhaltiges Erbe hinterlassen hat, das bis heute fortwirkt: Podium Kunst Schramberg und die Kunstsammlung der Großen Kreisstadt Schramberg.

Glücksfall für Sammlung
„Werner Siepmann war ein Glücksfall für den Aufbau einer zeitgenössischen Kunstsammlung“, würdigt die frühere Museumsleiterin Gisela Lixfeld die langjährige Zusammenarbeit mit ihm. Sein Anliegen war in den drei jährlichen Ausstelllungen von Podium Kunst im „Kulturzentrum Schloss“ besonders die Förderung junger Künstlerinnen und Künstler, „welche das Zeitgeschehen wachsam und kritisch begleiteten: passend für eine Stadt wie Schramberg und passend für den Start des Aufbaus einer qualitätvollen zeitgenössischen Kunstsammlung“, berichtet Gisela Lixfeld weiter.
Über die weiträumigen Beziehungen von Werner Siepmann war wie nie zuvor zeitgenössische Kunst in Schramberg zu sehen. Im Jahr 2006 überreichte ihm Oberbürgermeister Dr. Herbert O. Zinell für sein großes Engagement im Auftrag von Ministerpräsident Günter Oettinger in einer Feierstunde die Landesehrennadel.
Der zwei Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 9. Juli 1945 in Wickede/Ruhr geborene und in Fröndenberg/Warmen aufgewachsene Werner Siepmann kam am 8. September 1974 als junger Lehrer an das damals ganz neue Gymnasium nach Schramberg – am geschichtsträchtigen Tag der Wahl des SPD-Politikers Dr. Roland Geitmann (1941 – 2013) zum Oberbürgermeister, der Kulturpolitik in den Mittelpunkt seiner Amtszeit stellte.
Dreifach qualifiziert
Für seine Aufgabe, in der neuen Schule einen neuen Kunstunterricht aufzubauen, brachte er gleich drei Examen mit: aus der Fachhochschule Dortmund, an der Staatlichen Kunstakademie Karlsruhe als Schüler des Malers, Zeichners und Graphikers Professor Dr. Georg Meistermann (1911 – 1990) und an der Universität Karlsruhe als Schüler des Kunsthistorikers Professor Dr. Klaus Lankheit (1913 – 1992), der sich auf Franz Marc (1880 – 1916) spezialisiert hatte.
Am Gymnasium Schramberg unterrichtete er eine Generation von Schülerinnen und Schülern im Fach Bildende Kunst, aus denen einige selbst Künstlerinnen und Künstler geworden sind. Sein Schüler Martin Kasper, heute ein international renommierter Künstler in Freiburg, würdigt seinen Lehrer im Rückblick: „Für mich war Werner Siepmann von Beginn an als Künstler und Kunstlehrer eine ganz wichtige Bezugsperson. Ich erinnere mich besonders an lange Gespräche bei ihm zu Hause, während derer er viel Einblick gewährt hat in seine Arbeit: Wie er mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen gearbeitet hat, die durch Hitzeeinwirkung entstanden sind, von unterschiedlichen zwischen Zufall und kontrollierten Arbeitsabläufen bis hin zu Klangcollagen, die aus Aufnahmen von Glockenklängen hervorgegangen sind. Das waren für mich wahre Highlights!“

In den Ruhestand ging Werner Siepmann nach 35-jähriger Berufstätigkeit im Jahr 2009 am Albeck-Gymnasium in Sulz am Neckar.
Dem Kunstmarkt entzogen
Mit dem neuen Lebensmittelpunkt im Schwarzwald wollte sich Werner Siepmann dem von ihm problematisierten Kunstmarkt entziehen. Hier legte er sich auch den markanten Künstlernamen „Syllwar“ zu, das 2000 Jahre alte Wort „silva nigra“ der Römer für den Schwarzwald übernehmend.
Von 1974 bis 1979 ruhte seine eigene künstlerische Arbeit, zu er nach dem Erlebnis einer Romreise wieder zurückfand, verstärkt zusätzlich durch ein „tragisches Ereignis“ in seinem Leben: „Von dem Tag an konnte ich und war ich in der Lage, Menschen zu suchen und zu gestalten […] Nur durch die Schaffung von ‚Menschenbildern’ konnte ich mich innerlich halten, ohne auseinanderzubrechen.“
Diese „Bewegungsspuren“, „Farbdurchdringungen“ und „Gießstrukturen“ wurden im Jahr 1985 in der heute legendären Ausstellung „Syllwar-Siepmann. Biographische Menschenbilder“ von Podium Kunst Schramberg im „Kulturzentrum Schloss´“ gezeigt. Drei seiner Werke wurden im Lauf der Zeit für die städtische Kunstsammlung angekauft.

Kritik am Kunstbetrieb
2014/15 beendete Werner Siepmann – immer aufrecht und ehrlich für die Autonomie der professionellen Kunst kämpfend – sein Engagement in Schramberg aus Kritik an einer zunehmenden Beliebigkeit durch kreatives Freizeitschaffen und kulturpolitische Einflussnahme von Kreisebene auf den von ihm aufgebauten Kunstraum Schramberg.
Das Stadtmuseum Schramberg würdigte sein großes Engagement im Katalog zur Gesamtpräsentation der Kunstsammlung der Großen Kreisstadt Schramberg durch einen Essay über ihn von seinem Schüler Professor Dr. Rüdiger Görner, dem langjährigen Direktor des Institute of German Studies sowie Direktor des Centre for Anglo-German Cultural Relations am Queen Mary College in London.
Künstlerisch tätig ist Werner Syllwar-Siepmann bis heute, immer noch den „Menschenbildern“ verpflichtet, jetzt aber ganz bewusst „Köpfe“ in den Blick nehmend, die einer heute aus seiner Sicht weit auf „fünf nach zwölf“ stehenden Gesellschaft bitter fehlen.
